@Rico
Paßt mal wieder. Danke für den Hinweis.
Oben hattest du geschrieben:
Soldatenstechschritt marionettenhaft
und
abergläubigen Masse nachexerziert...
Die Woche hatte ich mich auch etwas mit Militärpsychologie befaßt. Kam mir so in den Sinn.
Das ich Schiller am Start hatte, sagte ich bereits. Das hatte ich mit Heinrich von Kleist eingeleitet, "Über das
Marionettentheater"
Als gestern viel der Groschen im Zusammenhang mit der Vanitas. Narren standen eng in Verbindung mit der Vanitas. Insofern sind Marotte und Narrenspiegel Symbole und Zubehör des des Narren, wie auch der Naar für die Vanitas steht.
Was ist eine Marotte? Zunächst eine notorische Angewohnheit einer Person, die für Mitmenschen unverständlich ist. Was ist notorisch? Norisch steht für:
Für ein bestimmtes, ständiges/wiederholtes Fehlverhalten oder für:
allgemein/weithin bekannt. Das Letztere könnte man auch als
geläufig bezeichnen.
In Dresden steht eine Denkmal für den Hofnarren Joseph Fröhlich, eine in Dresden recht bekannte Person.
Vor ein paar Monaten bin ich um dieses Denkmal rumgekrochen und habe die Ikonographie untersucht. Das Denkmal wurde in der DDR errichtet und damals, kam mir eine Geschichte zu Ohren. Der Künstler die Tasche des Narren mit einer Spieglschrift versehen. Auf der Tasche stand: "Die Dummen werden nicht alle". Das gab dann einen Skandal und führte zur Beseitigung des Schriftzuges. Was ich bei meiner Visite völlig übersehen hatte, war die liegende Kasperfigur, auf welcher eine Eule sitzt. Eine solche Stabfigur wurde nun als
Marotte bezeichnet.
Heute ist Sonntag und das Wetter war schön, also habe ich einen schönen Ausflug gemacht. Ich war am Schillerhäuschen, wo Schiller als Gast der Familie Körner am Weinberg wohnte und auch die Ode an die Freude verfaßte. Dann war ich im Museum der Dresdner Frühromantik, der Wohnung der Familie in Klügelgen, welche auch Stücke aus dem zerbombten Körnermuseum beherrbergt. Dort waren viel bekannte Personen zu Gast. Von Mozart, Fichte, Schelling bis Schleiermacher. Dann war ich in der Puppentheaterausstellung im Stadtmuseum. Und im Dresdner Schloss.
Wie ich schon geschrieben hatte, habe ich das Thema Dummheit und Wahn systematisch untersucht. Der närrische Torr ist da nicht weit. Aber hier geht es nicht um Lyrik, sondern um Kognitionsmechanik und Psychologie. Der ganze Bahnhof.
Ich hatte mal den Spruch: "Wenn man die Welt verstehen will, muß man zuerst denjenigen verstehen, der das versucht." Man kann das auch anders fassen. "Wenn man sich selbst versteht, versteht man auch die anderen". Aber auch das läßt sich konkretisieren. "Man will sich selbst verstehen, um die anderen zu verstehen". Ergo, "Man will die anderen verstehen, damit man besser klar kommt".
Wie kann man aber Dummheit und Wahn verstehen?
Stell dir mal vor, du hättest keine Marotten? Oder sie wären dir nicht bewußt, so das du auch darüber lachen könntest. Ein wichtiger Punkt. Aber bleiben wir mal bei der Vorstellung, jemand hätte keine Marotten? Ich will das noch präzisieren, jemand fehlt die Vorstellungskraft Marotten zu verstehen, weil er selbst keine hat. Fehlende Vorstellungskraft und fehlende Phantasie waren aber laut Estar Vilar Kriterien von Dummheit. Eingeräumt wurde aber auch, dass Vorstellungskraft sich fehlende Vorstellungskraft nicht verstehen kann, denn
Nichts kann man nicht verstehen. Insofern wäre das Unverständnis darüber Marotten zu vertsehen, der vergebliche Versuch der Vorstellungskraft, fremde fehlende (womöglich fehlerhaft Vorstellungskraft) zu verstehen. Und das macht durchaus Sinn, wenn man die obigen Definitionen ernst nimmt.
Derjenige mit einer Marotte legt ein Fehlverhalten an den Tag, weil er Verhaltensweisen zeigt, welche anderen eben nicht geläufig sind bzw. welche nicht nachvollziebar allgemeingültig oder akzeptabel sind. Das kann daran liegen, der jenige ein Idiot ist, welcher sich nicht selbst überprüfen kann oder gar aus verheimlichten Gründen Marotten pflegt.
Damit trifft auf den Marottenhaften das gleiche zu, wie auf dem Dummkopf, den Wahnsinnigen, den Fremden, man weis nicht so recht, wie man mit ihnen umgehen soll. In erweiterten Sinn trifft das auch auf den Betrüger und den Dieb zu, außer das einem hier das Problem nicht bewußt oder nicht greifbar ist.
Die Zusammenhänge sind durchaus interessant. Die (Puppen-)Marotte ist ein Attribut von Momos bzw. Querella. Und zur Querele und zum Querulanten braucht man nichts zu sagen. Es gibt auch querulatorischer Wahn. Und das ist durchaus interessant und aktuell:
Kollektiv-Querulanten:
Statt für sich selbst zu kämpfen, engagieren sie sich für die Bedürfnisse und Rechte einer Minderheit, mit der sie sich identifizieren und auf die sie ihre eigenen Bedürfnisse und Ängste projizieren. Sie sehen sich häufig idealistisch als Träger einer moralischen Mission, ob für Menschen, Tiere oder die bedrohte Natur.
Wer denkt da nicht an Klimaschützer, Weltenretter oder fanatische Anhänger einer Religionen oder Ideologie. Und hier schließen sich einige Kreise.
Auch zu Soldaten, früher auch mal mit Kreuz vor der Brust und vieles anderes mehr. X. Du hattest das ja selbst thematisiert.
Ganz sicher steht der Komplex in einem engen Zusammenhang mit dem Thema des Vertrauens und des Misstrauens. Und das sind Fragen der Abgrenzung. Ich führe das nicht großartig aus. Das Ganze hat mit Liminalität zu tun, welche absolut durch das X gekennzeichnet ist. Und hier wären Ausführungen wirklich umfangreich vorzunehmen, der Pöbel und die Eliten haben einiges gemeinsam, sind gar im Prinzip das Gleiche und grenzen sich von Ständen und Familien ab. Man könnte sagen, die einen sind ständig, der Pöbel läufig, was man durchaus mehrdeutig lesen darf. Heute nennte man das mobile Gesellschaft in sexueller Freiheit. Der IS ist eine hochnervöse liminalitäre Gruppierung, ebenso wie Anhänger von Kinderkreuzzügen. Sie haben eines gemeinsam, sie bilden sich aus Personen, welche in der Gefahr stehen überflüssig zu sein bzw. welche keinen Anschluß an soziale Interaktionssysteme finden. Weites Thema. Früher hat man Soldaten verheizt oder sie haben sich selbst in todeskultartigen Vernichtungsgemeinschaften zusammengefunden. Etwa die SS.
Diejenigem, welche keine Marotten haben, machen sich einen Kopf über Marotten, können das aber nicht verstehen. Diejenigen mit Marotten, bemerken das nicht oder finden das lustig, machen sich aber keine Gedanken. Dazu gibt es noch diejenigen, welche sich hinter einer Marotte verstecken und auch diese Leute, werden nicht über Marotten schreiben. Hierzu wären Anmerkungen zu Thema Vertrauen angebracht, bzw. über die Strategien des Misstrauens. Und wenn man die Biege über die Hegelsche List macht, dann landet man wieder bei der Angst.
Man kann sich die Vanitas-Symbolik durchaus mal in diesem Zusammenhang anschauen. Was Heinrich von Kleist in seinem "Marionettentheater" geschrieben hat, ist unbedingt beachtenswert.
Wenn man das also so betrachtet, dann sind die von dir erwähneten exerzierenden Soladeten keine Marionetten, sondern Marotten. Das wäre ein wesentlicher Unterschied. Walter Moers hat dem ein Buch gewidmet, was nun wirklich keiner verstanden hat und was arg kritisert wurde. Die Rückkehr in die Stadt der träumenden Bücher, wo es um Puppetismus und das Puppenspiel geht. Im Zirkus Maximus.
Bereist im ersten Buchheimbuch, taucht das Motiv des Mechanische Figurentheaters auf (Guldenbergs Fallebuch), worauf mich der heutige Museumsbesuch gebracht hat. Was ich z. B. nicht wußte, mechanische Figurentheater waren bis zur Aufklärung fester Bestandteil des Kircheninventars und wurden erst dann beseitigt.
So obskur sich das anhört, erst mit Einbeziehung der Marotte kann man die Kognitionsmechanik verstehen, bzw. das Wechselspiel mit dem Unbewußten.
Anders ausgedrückt, man kann Dummheit verstehen. Bzw. die Frage, ob der Dumme verstehe, dass er dumm ist. Du kannst mir glauben, dass ist ein Turingtest im Quadrat.
Dass das hier nicht völliger Quatsch ist, kann man durch aktuelle Kulturäußerung untermauern.
Als Mr. Smith Nero das erste Mal erschießt, sagt er "bloß ein Mensch" = siehe oben, eitel:
bloß, nichts als
Ich könnte unheimlich viel dazu bringen.
Und ein mechanisches Figurentheater würde mich Marionetten gar nicht funktionieren, nur mit Marotten.
Und wenn du mir jetzt mit הָגָר Hagar 'Fremde' und der Vernus kommst, dann paßte das absolut, denn Xenos und Misstrauen stehen im absoluten Zusammenhang mit dem der Eitelkeit.
In der Schloßbuchladen bin ich dann Kraft meiner Buchmagie, richtig gleitet worden und auf das Thema Misstrauen gestoßen. Klar. Und auch die Venus war dann nicht weit. Mich war mit der Absicht dort hingegangen, ob es etwas über Kuperstiche des Meister E. S. zu finden ist. Und bin dann auch das gestoßen.
Was ich in diesem Buch entdeckt habe, dass wird dich absolut umhauen.
Dafür garantiere ich. Ich besorge morgen aus der Bibliothek eine Kopie. Die schicke ich per Mail, weil ich neuerdings hier keine Bilder mehr hochladen kann, nur verlinkten.
Du wirst dich nicht mehr einbekommen, wenn du das siehst.
Es ist der Beweis, dass wir auf unseren recht unterschiedlichen Wegen zu den gleichen Schlußfolgerungen gelangen. Das musst du sehen!