MIchael hat geschrieben:Denn auch wenn die Definition und die Beschreibung von Bewußtsein alles andere als klar ist, so dürfte doch ein Konsens darüber bestehen, dass wir es bei diesem Thema mit einem nicht-materiellen Aspekt zu tun haben.
Offenbar lag ich mit meiner Einschätzung im Eingangspost nicht ganz richtig, dass ein Konsens zu diesem Aspekt besteht. Und ich meine, es ist deshalb um so wichtiger, dass wir die materiellen Vorgänge genauer untersuchen und von - sofern vorhanden - nicht materiellen Dingen abgrenzen.
Die materiellen Abläufe in unserem Gehirn sind sehr komplex und lassen sich nur ansatzweise in vivo untersuchen. Es gibt also eine große Lücke zwischen dem Wissen, dass man von Nervenzellen in Nährmedien gefunden hat und den Abläufen in intaktem Nervengewebe im Körper. Man kann zwar prinzipiell an einzelnen Nervenzellen im Gewebe die Erregungsforteitung messen, aber die hochgradige Vernetzung im Zentralnervensystem macht es eigentlich unmöglich, Rückschlüsse über das Zusammenwirken der vielen Nervenzellen zu ziehen.
Nach meiner Einschätzung hilft deshalb nur ein Vergleich mit einer Computerschaltung, hier ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Das bietet sich auch deshalb an, da eine Nervenzelle ähnlich einer einfachen Transistorschaltung arbeitet. Sie hat einzelne bis viele Eingänge, aber soweit ich weiß ausschließlich einen Ausgang, der je nach Eingangssignalen eine gewisse Grundschaltung (Gatter, TTL) schon hier auf Zellebene realisiert.
Deshalb sehe ich zunächst mal keine Einwände, die Verschaltungen im Gehirn mit Binärverschaltung in einem Computer zu vergleichen. Letztlich sind die elektrischen Abläufe in einem Computer ja auch nicht digital, sondern es handelt sich um analoge elektrische Ströme, die in binäre Zustände gebracht werden. Und so ähnlich verhält es sich auch mit den Nervenzellen, die analoge Signaleingänge von Rezeptoren oder anderen Nervenzellen zu einer Fortleitung bzw. Nicht-Fortleitung in ein binäres System überführen.
Der gewichtige Unterschied ist, dass wir im Gehirn lebendige Zellen vorfinden, die nur duch ihre Verbindungen zum restlichen Organismus ihre Funktion wahrnehmen können und auch vollständig ins Gesamtgeschehen integriert sind, da wir immer bestrebt sind, als Gesamtorganismus zu handeln. Zumindest entspricht das dem gesunden Zustand, alles andere äußert sich dann als Krankheit auf kurz oder lang.
Ein Computer ist nur durch die Stromversorgung von der Umwelt abhängig, da er seine Energie daher bekommt. Deshalb sollte man bei einem Vergleich Gehirnaktivität und Computer immer nur die Schaltungsfunktionen vergleichen und weitergehende Aspekte einschränken.
Interessant wird der Vergleich aber dann, meine ich, wenn man dem Bewußtsein auf die Spur kommen möchte und sich überlegt, wie man mit ensprechenden Schaltung auf Computerebene, ein künstliches Bewußtsein schaffen würde, das dem menschlichen Bewußtsein ähnlich sein sollte.
Wichtig finde ich noch, dass man die beiden Begriffe "Bewußstein" und "Aufmerksamkeit" gut unterscheidet. Die Aufmerksamkeit ist nach meiner Auffassung ein zeitlich befristeter zielgerichteter Teilaspekt des Bewußtseins, der einzelne Sinneseindrücke besonders fokussiert und mit dem Gedächtnis zusammenarbeitet, um die gesammelten "relevanten" Informationen von unwichtigen auszusortieren.
Den Begriff "Bewußtsein" oder "Selbstbewußtsein" würde ich weitreichender definieren und vor allem die geistige Möglichkeit betrifft, mittels Gedanken sich selbst und die Welt und andere Menschen auf eine, wenn auch nur vermeintliche objektive Ebene zu betrachten. Dieses so umrissene Bewußtsein scheint Tieren nicht möglich zu sein, die in ihrem triebhaften Verhalten in das ökologische Kollektiv der Lebewesen hier auf dieser Erde direkt eingebunden sind. Allerdings besitzen viele von ihnen auch die Fähigkeit der Aufmerksamkeit, die ich deshalb sehr stark in der Verarbeitung der Sinneseindrücke sehe. Selbst das Schlafbedürfnis ist weit verbreitet im Tierreich, ohne dass man seine genaue Funktion bisher ergründen konnte.
Damit stellt sich an dieser Stelle die Frage, sind wir Menschen denn überhaupt etwas Besonderes im biologischen Sinne ? Sind wir gar lediglich Affenabkömmlinge, die ein zu großes Gehirn entwickelt haben, um besonders gut über uns und die Welt nachdenken zu können ?
Gibt es überhaupt ein geistiges nicht-materiellles Etwas, das wir subjektiv zwar als Bewußtsein wahrnehmen, das aber materiell gesehen nur eine übersteigerte Vernetzung unserer Nervenzellen darstellt ?
All diese Fragen lassen sich schwerlich eindeutig beantworten oder gar beweisen, meine ich. Zu komplex erscheint mir das Themengebiet. Es gibt allerdings viele Indizien, die dafür sprechen, dass es eine nicht-materielle Ebene gibt, die ähnlich wie die nicht aus Materie bestehenden Informationen der DNA, also die Gene, immanent in den Zellen des Nervensystems, aber auch in allen lebenden Zellen vorhanden ist.
Wer sich schwer tut, nicht materielle Dinge zu akzeptieren, kann vielleicht - um den Faden wieder zum Computer aufzunehmen - über die Frage der Verbindung zwischen Hard- und Software grübeln. Gibt es Software-Ereignisse überhaupt im Computergeschehen? Ist dieser Text, den du hier liest, nur eine geometrische Pixelanordnung oder gibt es etwas immaterielles in diesen Zeilen?
Meiner Meinung nach gibt es beides auf dieser unserer Welt - die Welt der Materie und die Welt des Geistes. Beides durchdringt sich auf magische Weise und die Frage nach dem Leben auf diesem Planeten ist Verbindung der beiden Welten....
Viele Grüße
Michael